Materialtest: OMama’s Knitwear
Der OMama PERNAT 5.3 und seine Geschwister im Langzeittest
von Jonathan Pietsch
Es gibt nichts Besseres als die unerreichte Goretex Pro-shell? Nur solche Wundermembrane halten Euch trocken und warm? Alle paar Jahre große Batzen Geld für perforiertes Plastik ausgeben ist unangenehm, aber in den Bergen alternativlos? – Wacht auf, ihr Sklaven der achso mächtigen Ganzkörperkondom-lobby! Hier kommt der metaphorische Kübel Eiswasser in eure PFC-belasteten Gesichter: Die feine Strickware des kleinen non-profit Guerillia-Unternehmens OMama.
Die kleine, aber weltweit vertretene Firma mischt schon seit längerer Zeit weitgehend unbemerkt den Weltmarkt für Outdoorbekleidung auf. Hinter Omama’s knitwear steht ein globales, dezentrales Netz von Mikrovertretungen, meist mit je nur ein bis zwei MitarbeiterInnen (Frauenanteil nach Expertenschätzungen vorbildlich). Angefangen hat das Ganze mit einfachen Bekleidungsstücken wie Socken, Mützen und Schals. Inzwischen kommt man aber auch an immer technischere Artikel wie Midlayer oder Fingerhandschuhe, die den Vergleich mit der großen Konkurrenz nicht mehr scheuen. Der folgende Testbericht beschränkt sich weitgehend auf die Handschuh-Linie von Omama, primär die 2017er Neuerscheinung PERNAT 5.3, ein Dreifinger-Handschuh
Erster Eindruck:
Die Farbgebung der meisten OMama-Erzeugnisse ist im Grunde frei konfigurierbar, aber das braun-hellblau meiner Ausführung wirkt erst einmal sehr knallig; Meine Priorität war in diesem Fall eine schnelle Lieferung, weshalb ich darum bat, statt meiner Wunschfarbe einfach bereits vorrätiges Material zu verstricken. Davon abgesehen wirken aber auch Formgebung und Materialwahl zuerst befremdlich. Die leicht dreieckig zulaufende Spitze des ‚Fäustling‘-teils gibt es so an keinem anderen Handschuh und die 100% Schurwolle lassen sie insgesamt irgendwie labbrig aussehen.
Hands-on (-in)
Der Pernat 5.3 ist in Doppelstrang-Strickweise aus reiner Schurwolle handgefertigt. Diese ist bekanntermaßen nicht der weichste aller Stoffe. Daher empfehlen wir einen vorherigen Test, wie kratzresistent die eigene Haut ist. Weil aber nicht nur die Farbgebung, sondern auch Materialwahl customizable ist, bestellen empfindliche SnowboarderInnen einfach die Merino-Ausführung. Ich habe – wie sich schnell herausstellt – keine Probleme mit der gröberen Schurwolle; Also bleibe ich aufgrund der vermeintlich höheren Belastbarkeit beim Mittel der Wahl des europäischen Urviechs.

Praxistest:
Selten oder nie hat etwas meine Erwartungen dermaßen übertroffen wie
diese Handschuhe. Irgendwann mal ein Weihnachtsgeschenk sind die PERNAT
5.3 inzwischen mein zweites (von drei) Paar Vollwoller von OMama. Die
Male, an denen sie in den letzten drei Wintern an ihre Grenzen gestoßen
sind, kann man an einem Fäustling abzählen. Umgestiegen bin ich von
einem dicken alten Reusch Fingerhandschuh aus Pistenzeiten, der aus mehr
Tape als irgendwas anderem besteht. Trotzdem sind die Wollhandschuhe
aber nicht nur deshalb extrem schnell meine erste Wahl geworden; Sie
decken schlicht und ergreifend einen so breiten Einsatzbereich ab, dass
man mit konventionellen Produkten mindestens drei verschiedene besitzen
müsste, um ähnlich gut aufgestellt zu sein. Vorbei also die Zeiten, in
denen man die dünnen Fingerlinge nach schweißtreibendem Aufstieg am
Gipfel gegen die Ledergreifer für die Abfahrt tauscht, und dann bei
Regen noch die Synthetik-Überzieher aufzieht. Zugegeben, OMama’s
Wunderlinge können nicht alles so gut wie die jeweiligen Spezialisten
und meine alten Tapefetzen sind im Hochwinter immer für den Notfall
dabei, aber eingetreten ist dieser noch nie. Der Clou bei Wolle: Scheiß
auf Trocken – Hauptsache warm! Oft stecken meine patschnassen Hände in
den fast triefenden Handschuhen; Aber was bei Synthetik zu fiesem
Auskühlen führen würde, ist bei Wolle schlicht egal – Es bleibt warm.
Noch besser: Sind die Handschuhe außen voller Schnee, schnellt die
Wärmeleistung nochmal spürbar nach oben, der Stoff dichtet sich quasi
selbst ab. Ohne Schnee dagegen bleibt alles schön offen und luftig, vor
Allem bei etwas Fahrtwind kann man die unerreichte Atmungsaktivität
hautnah erleben. So habe ich meine Zweifel schnell abgelegt und auch an
so manchem Powdertag im Januar bei zweistelligen Minusgraden erstmal die
OMamas angezogen – und wenn’s zu kalt wird, einfach die Bratzen in den
Schnee und schön versiegeln. Funktioniert, ohne Scheiß.
Nachhaltigkeit und Produktionsethik:
In der Funktion noch vergleichbar, spielen diese Produkte was die
Nachhaltigkeit angeht in einer völlig anderen Liga als die etablierte
Konkurrenz: Omama’s Produkte sind mit etwas Geschick, Nadel und Faden
leicht zu flicken. Und sollte mal eine Masche unwiederbringlich verloren
gehen, könnte man theoretisch sogar das Garn wiederverwenden. Außerdem
muss man Wolle kaum waschen, meine dreijährigen PERNAT haben noch keine
Trommel von innen gesehen. Das spart nicht nur Wasser und Waschmittel,
sondern auch CO2 und Diridari. Der Rohstoff wächst, anders als Erdöl und
Baumwolle, direkt um die Ecke am nächsten Schaf; und zwar ziemlich
unabhängig davon, wo auf dem Globus man gerade Handschuhe braucht.
Der/die OMama-VertreterIn vor Ort bemüht sich immer darum, jeweils
lokale Ware zu verarbeiten. Ein kleiner Wehrmutstropfen ist die oft noch
unangemessene Bezahlung der ArbeiterInnen. Allzu selten kommt ein
richtiger, wasserdichter Kaufvertrag zustande, es herrschen
Spezlwirtschaft und „Freundschaftsdienste“. Momentan verkaufen viele
StrickerInnen die Früchte ihrer harten Arbeit für nicht viel mehr als
die Materialkosten. Manchmal werden die Sachen sogar verschenkt! Mit
diesem Testbericht wollen wir unseren Teil dazu beitragen, dass OMama
den Wert seiner/ihrer Produkte erkennt und stärker gewertschätzt wird.
Alles in Allem lebt diese Marke aber ein völlig alternatives System und
beugt sich nicht einfach den bestehenden Marktgesetzten. Das finden wir
spitze!
Wir hoffen, alle OMamas können ihre sozialistisch-libertäre Utopie noch
sehr lange und erfolgreich ausleben! Denn solche Kleinode der
Menschlichkeit sind es, die unsere Welt heutzutage braucht.
Post Scriptum:
Kurz nach Schreiben dieses Artikels gab es zwei bahnbrechende Entwicklungen:
Das Christkind die neueste Neuheit von OMama für mich ergattert. Die
PERNAT FLZ 5.2 (2018/19). Die in Doppelgarn gestrickten, gefilzten
Fäustlinge fanden schnell den Weg vom unterm Christbaum zu den ersten
paar Ausflügen der jungen Skitourensaison. Sie sind nochmal wärmer,
wasserresistent und winddichter als ihre ungefilzten Vorgänger. Geniale
Teile für kalte, nasse Tage.
UND:
Die rege Korrespondenz mit meiner lokalen OMama hat es mir ermöglicht,
einen Kontakt zwischen ihr und einer im Chiemgau angesiedelten
Alpaka-Züchterin herzustellen. Sobald also die Verarbeitung der Rohwolle
zum Garn unter Dach und Fach ist, dürfen wir und im nächsten Jahr auf
die Premiere der ersten OMama-Produktlinie aus 100%
Kurzhalsgiraffenwolle (geiles Wort) freuen.