Vier Tour-de-France-Pässe an drei Tagen

Ein paar Tage Zeit und Bock auf Radfahren. Also die Räder aufs Autodach, Zelt und Schlafsäcke rein und ab in die französischen Alpen. Wenn das Wetter mitmacht, könnte es in der Zeit gerade hinhauen mit Col d’Izoard, Alpe d’Huez und über den Col du Télégraphe zum Col du Galibier.

Mit dem Auto fahren wir nach L’Argentière la Bessée auf 950 Meter Höhe, unserem Startpunkt zum Col d’Izoard. Endlich sitzen wir auf dem Rad. Zum Einrollen ist das flache Stück nach Briançon perfekt. Hinter Cerviéres schraubt sich die Straße hinauf auf 2360 Meter Höhe. In superschönen Serpentinen windet sie sich zum Col d’Izoard, und so sind die 1400 Höhenmeter bald geschafft. Wie so oft bei Alpenpässen, empfängt uns auf der anderen Seite eine völlig andere Landschaft. Die schmale Abfahrt nach Guillestre führt durch ein felsiges Tal durch urige, kleine Tunnel. Wer jetzt noch Kraft hat, dem empfehlen wir für den Rückweg nach L’Argentière la Bessée die kleine Straße westlich des Flusses Durance zu nehmen. Da sind zwar nochmal ein paar gute Steigungen drin, sie ist aber deutlich schöner, als die „Normalroute“ entlang der großen Straße. Mit insgesamt 2108 Höhenmetern auf knapp 100 km ist diese Runde für sportliche Fahrer ein Genuss.

Den zweiten Radtag widmen wir der Alpe d’Huez. Die Tour de France verleiht diesem Hotelburgenstädtchen einen fast magischen Klang. Durch den Bergwald geht es über gemäßigte Serpentinen voran. Gedenktafeln und Straßenbemalungen lassen keinen Zweifel daran, dass dieser Aufstieg zur Legende geworden ist. In La Garde ist der Bergwald durchfahren und die Aussicht ist einfach klasse. Kehre für Kehre geht es bergauf durch eine abwechslungsreiche Landschaft – einfach eine Freude, sich hier mit dem Rad hoch zu winden. In L’Alpe d’Huez angekommen, stechen zunächst die Bausünden ins Auge, der Focus ist aber schnell wieder auf die Straße gerichtet. Unverkennbar die Zielgerade und das Siegerpodest, das wohl immer da steht.

Wir packen das Auto und fahren hinüber nach Modane. Nach einer gemütlichen Nacht auf dem Campi und gutem Essen starten wir zum dritten Radtag in St. Michel de Maurienne auf 700 Meter Höhe. Durch den Bergwald geht es 870 Höhenmeter hinauf zum Col du Télégraphe. Der präsentiert sich eher unspektakulär: eine Kurve, ein Schild, ein Haus. Kein Ding, wir wollen eh weiter zum Galibier. Erst mal geht es wieder bergab nach Valloire. Hier beginnt der Anstieg zum Col de Galibier; das Schönste, was ich je mit dem Fahrrad gefahren bin; einschließlich Island und Skandinavien. Lange Geraden in baumlosen Hochtälern wechseln sich ab mit atemberaubenden Serpentinen in steilen Hängen. Und das bei Hochgebirgs-Panorama. Es dürfte ewig so weitergehen. Die meisten Autos sparen sich den letzten Anstieg und fahren durch den Tunnel. Wir genießen die letzten Kilometer umso mehr und erreichen bei 2646 Meter Höhe den Pass.

Auf der Abfahrt durch böigen Wind ist Vorsicht geboten. In kurzer Hose und Radtrikot ist es wahrscheinlich völlig egal, ob es dich bei 90 oder 110 km/h zerlegt, aber ich fange bei 90 eben an zu denken, was ich da eigentlich tue und lass es damit auch gut sein. Mein Sohn Vivi als Ex-Radrennfahrer pfeift da noch auf dem Lenker liegend an mir vorbei. Sein Limit liegt jenseits der 100 km/h. Wir sehen uns später… zum Glück.

Bleibt als Resümee, dass es erst mal wieder darum ging, seinen Allerwertesten zu erheben und loszufahren; unterwegs läuft’s dann schon fast von selbst. Vier Pässe in drei Tagen, 5383 Höhenmeter, zusammen eine richtig gute Zeit gehabt und gesund wieder heimgekommen; was will man mehr?

Vulkanausbruch auf Island

Winter 2010. Seit über zwei Wochen bin ich allein im isländischen Hochland unterwegs. Ich sitze vor dem Zelt und denke gerade an das Ende meiner Einsamkeit, als ein Hund auf mich zu rennt und alles gibt, mir die Haut vom Gesicht zu lecken. Es ist Skuggy, der Hund von Gunnar, dem Hüttenwart der isländischen Wanderhütten. „Na also“, denke ich „passt doch. Ein perfekter Lift nach Reykjavik.“ Gunnar und Ole wollen aber erst mal zu dem neuen Vulkan, der gerade ausgebrochen ist. Ich habe keine Ahnung davon, war ja zwei Wochen ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt.

Am nächsten Tag machen wir uns mit den Autos auf den Weg in den Süden. Die ersten 30 Kilometer gehen quer über Eis und Schnee, bis wir die Schotterpiste der Kjölur-Hochlandroute erreichen. Von nun an geht es zügig in den Süden zur Ringstraße und weiter nach Hvolsvöllur. Versuche, mit den Autos ins Tal der Þórsmörk zu kommen, werden von Straßensperren der Polizei vereitelt. Da helfen auch Oles Diskussionen nichts. Das Gebiet ist abgesperrt, die umliegenden Bauernhöfe wurden bereits evakuiert. So fahren wir direkt zum Skógafoss und versuchen von dort aus, zu Fuß den neuen Vulkan zu erreichen.

Direkt am Wasserfall machen wir uns auf den Weg nach Norden. Es sind rund 15 Kilometer Strecke und 1000 Höhenmeter bis zum Pass Fimmvörðuháls, wo der Ausbruch stattfinden soll. Vier Stunden später stehen wir vor dem beeindruckenden Schauspiel. Photogen präsentiert sich der neue Vulkan und speit flüssige, orangefarbene Lava aus einer breiten Spalte. Nach Norden hat sich ein Lavafluss gebildet, über den sich der heiße Brei in Richtung Þórsmörk arbeitet. Ohne es auszusprechen ist uns klar, dass wir auch die Nacht hier verbringen werden. Mit Einbruch der Dunkelheit wird die Szenerie noch magischer. Mit lautem Zischen und Fauchen sprühen unglaubliche Mengen an flüssiger Lava in den Nachthimmel und fallen wie steinerne Wasserfälle wieder zu Boden. Erst am Morgen machen wir uns auf den langen Rückweg, und am Nachmittag erreichen wir Reykjavik. Drei Wochen später bricht in direkter Nachbarschaft zum Fimmvörðuháls der Vulkan unter dem Eyafjallajökull aus und legt den europäischen Flugverkehr lahm.

Trekking im Kaukasus, Elbrus von Norden

Russland, Kaukasus, Elbrus, 5000er… hört sich mal anders an als Alpen und Skandinavien. Ich wurde neugierig. Mein Kumpel Alexios Passalidis machte genau dort zu Sowjet-Zeiten seine Bergführer-Ausbildung. Er plante gerade, mit einer kleinen Gruppe über einen etwas längeren Trekking-Zustieg den Elbrus von der einsameren Nordseite zu besteigen. Dabei übernahm er den ganzen Kram mit Genehmigungen, Papieren, An- und Abreiseformalitäten für eine Gegend, die politisch sehr instabil ist. Das war zu verlockend, ich war dabei. In der Abendsonne schwebt die Maschine von Moskau über Mineralnye Vody ein. Auf dem kleinen Flugplatz kommen wir uns vor wie auf dem Viehmarkt. Das Vieh sind wir. Ein Herr Oberwichtig mit zu großer Uniformmütze studiert lange unsere Papiere, bis er zu dem Entschluss kommt, dass irgendetwas fehlt (Rubel), und wir den Flughafen nicht verlassen dürfen. Alex regelt das ohne Geld und wir gehen unserer Wege. Nach einer Nacht im „Internationalen Hotel“ in Pyatigorsk fahren wir in zwei Geländewagen russischer Bauart ins Khurzuktal und werden dabei noch einige Male mit vorgehaltener Waffe von der Miliz gefilzt.

Umso mehr genießen wir am Abend die Ankunft in Khurzuk. Vor uns liegt das unberührte Hochgebirge. Nach vier Stunden Aufstieg stellen wir die Zelte auf. Von hier aus unternehmen wir zwei Tagestouren auf rund 3700 zur Akklimatisation – und aus Freude am Bergsteigen. Unweit unserer Zelte beziehen drei Hochlandhirten mit ihren Tieren ihr Sommerquartier. Einer davon hat bei Alex als Kind reiten gelernt. So verbringen wir die Abende in ihrer kleinen Hütte bei Hammelfleisch und frischem Schafskäse mit Brot und Kräutern, zuzüglich unserer bescheidenen Beigaben. Wir würden ihnen gerne etwas geben. „Spenden“ anzunehmen oder fürs Essen bezahlen geht aber gar nicht. Also machen wir einen Deal: Sie bringen mit ihren Pferden unsere Rucksäcke zum nächsten Pass und wir bezahlen sie dafür. Den Balk-Bashi-Pass erreicht, geht es auf 3700 Meter Höhe weiter dem Gletscherrand entlang in Richtung Westen, Richtung Elbrus. Nach einer Nacht auf Geröll und der Querung eines Gletschers kommen wir zu der Stelle, an der wir unser drittes Lager geplant hatten. Es ist aber ziemlich stürmisch und die Motivation zum Zeltaufbau lässt zu wünschen übrig. Wir gehen weiter zum sog. „Russenbiwak“, ein paar halbrunde Behausungen aus Aluminium, ohne Wasser oder Klo. Die Elbrus-Nordseite wird weit weniger begangen als die Normalroute im Süden. Trotzdem gibt es hier so eine Art „Berghütte“. Mit drei Russen und einer Katze teilen wir uns die enge Kabine und sitzen gut gelaunt zwei Tage Sturm aus. Nach einer weiteren Akklimatisationstour packen wir die Rucksäcke und steigen auf zu den Lenzfelsen. Auf 4650 Meter ist die Aussicht auf den Kaukasus und das Vorland einfach überwältigend. Wir stellen die Zelte auf und hoffen auf gutes Wetter. Die Nacht bringt Sturm bei minus 15 Grad. Morgen wollen wir zum Gipfel.

Die Gipfeletappe ist technisch leicht, aber die Höhe von über 5000 Metern ist schon deutlich spürbar. Alles geht etwas langsamer und ist deutlich anstrengender als auf 3000. Trotzdem erreichen wir allesamt den Gipfel und feiern dort oben ein kleines Fest. Der Abstieg geht sehr zügig voran. In leichtem Terrain geht es über Firn und Eis zurück zu den Zelten. Mit vollem Rucksack wieder zum Russenbiwak. Eigentlich sind wir noch recht fit, also steigen wir noch weiter ab bis zu einer flachen Wiese auf 2900 Meter Höhe, genannt Flugplatz. Nach über 2700 Höhenmetern Abstieg darf man den Tag beenden. Wir stellen die Zelte auf die Wiese und genießen das frische Wasser aus den klaren Bächen. Zur Feier des Tages spendiere ich als Überraschung eine Runde Mousse au Chocolat für alle. Ich hab den Päcklenachtisch die ganze Zeit mitgeschleppt, und jetzt ist die Zeit gekommen, das Pulver anzurühren. Dies führt zu allgemeiner Heiterkeit und noch besserer Laune.

Der weitere Abstieg führt uns an einer russischen Dampfsauna vorbei, in der wir von Alex nach alter Tradition mit Birkenzweigen ausgepeitscht und danach mit russischem Bier abgefüllt werden. Nach der dritten Sauna-Auspeitsch-Bierrunde soll es dann aber auch genug sein. Bis zur Heimreise haben wir noch ein paar Tage Zeit. Alex zeigt uns noch einiges aus seiner Heimat und bald sitzen wir wieder im Flieger nach München.

Winter im isländischen Hochland – solo

Deine Idee einer reizvollen Tour gehört dir. Aber nur, bis die Idee die Oberhand gewinnt. Denn dann gehörst du ihr, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann du sie verwirklichen musst. So ging es mir mit dem Gedanken, im Winter mal eine Zeit allein im isländischen Hochland zu verbringen. So lande ich im Februar 2010 in Reykjavik wo ich erst mal ein paar Tage bleibe. Noch ’mal essen, was und so viel ich will, Schwimmbad und Cafés besuchen, abends mit Isländern in die Kneipe. Der Überlandbus bringt mich in den Norden Islands, zur Abzweigung der Kjölur-Hochlandroute. Der Busfahrer hilft mir beim Ausladen des Schlittens, legt mir seine Hand auf die Schulter und wünscht mir alles Gute – und viel Schnee. Aber im Moment stehe ich mit Packschlitten und Skiern inmitten beigegrüner Weiden. Schnee ist nur auf fernen Gipfeln auszumachen. Ich spanne ein kleines Fahrgestell unter den Schlitten. Ursprünglich war es nur dafür gedacht, leichter durch die Stadt zu kommen. Jetzt muss es mir dabei helfen, über die Schotterpiste die Hochlandkante zu erreichen. Dort wird schon genügend Schnee liegen.

Vor ein paar Tagen wurde ganz in der Nähe ein junger Eisbär erschossen, der von Grönland herüber trieb. Ob seine Mama mit ihm nach Island kam und hier irgendwo herumstreift, ist noch nicht geklärt. Also verlasse ich mal lieber die Küstenregion und mache mich auf den Weg nach Süden. Zwei Hunde kommen auf mich zu gerannt, begrüßen mich freudig und traben die ersten Kilometer neben mir her. Als ich am nächsten Abend das Hochland erreiche, schaue ich auf die endlose Weite und sehe… keinen Schnee! Auf den drei Tage alten Satellitenfotos war hier doch alles weiß! Jetzt erinnert mich dieser Anblick an den isländischen Sommer. Skilaufen und Schlittenziehen sind unmöglich. Was nun? Ich stelle das Zelt auf, esse und verkrieche mich in den Schlafsack. In der Nacht steht mein Entschluss fest: Ich lasse den Schlitten und alle nur irgend entbehrliche Ausrüstung zurück, packe den Rucksack und gehe weiter. Das wird verdammt eng. Ein Buch und ein kleiner Weltempfänger, die mir das lange Alleinsein hätten versüßen sollen, bleiben zurück, ebenso die 20 Tafeln Schokolade, weiteres Essen und Kochersprit. Da bleibt nicht viel übrig. Die Tüte mit Werkzeug und Ersatzteilen wird ebenso ausgemistet wie der Klamottenpacksack. Mit einem lauen Gefühl im Magen lasse ich auch die Steigeisen zurück. Ich lege noch eine kurze Nachricht in den Schlitten und schließe das Verdeck. Die Skier müssen mit. Falls doch noch der große Wintereinbruch kommt, komme ich ohne sie nicht mehr heraus. Der Rest passt gerade so in und an den 90-Liter-Rucksack. Und jetzt los.

Es tut gut, die Schotterpiste zu verlassen und auf natürlichem Boden voran zu kommen. Wie schön wäre es, bei guter Schneelage mit Skiern und Schlitten durch diese Weiten zu ziehen. Nun, es ist, wie es ist. Mein Ziel ist, innerhalb einer Woche Hveravellir zu erreichen, ein Gebiet genau in der Mitte des Hochlands. Dort gibt es heiße Quellen, eine kleine Wetterstation und eine Wanderhütte. Direkt an der Hochlandpiste gelegen ist es im Sommer gut besucht. Jetzt werde ich dort sicher niemanden antreffen. Tag für Tag wird die Umgebung abwechslungsreicher. Das Wetter wird besser, immer wieder kommt die Sonne heraus. Nach und nach legt sich eine dünne Schneeschicht auf die Landschaft. Die Flüsse sind jetzt von einer dünnen Eisschicht bedeckt. Das macht das Überqueren umständlich und sehr gefährlich. Lange suche ich jeweils nach einer geeigneten Stelle und taste mich sachte über das oft knackende Eis, stets begleitet von weichen Knien, 180 Puls mit anschließendem Durchatmen. Den Rucksack ziehe ich mit einer Reepschnur nach. In solchen Momenten wird mir das Alleinsein schon sehr bewusst.

Nach sechs Tagesetappen habe ich 100 Kilometer geschafft und erreiche bei 5 cm Neuschnee und sonnigem Wetter Hveravellir. Kein Mensch ist zu sehen, auch die Wetterstation ist nicht besetzt. Hauptsache, der Hot-Pot ist da, ein aus Natursteinen gemauertes Badebecken, das von den umliegenden kochend heißen Quellen gespeist wird. Ich stelle das Zelt auf, esse die Miniration Instant-Nudeln und nehme ein heißes Bad im Freien; bei minus 12° Außentemperatur, über mir Sternenhimmel und Polarlicht. Ein unbeschreibliches Erlebnis, aber leider mit niemandem zu teilen. Im Zelt geht die kleine Feier weiter: Eine Kanne Tee, ein paar Kekse und die Vorstellung, morgen ausschlafen zu können und einen Spaziergang in der Umgebung zu machen, besiegeln diesen unvergesslichen Tag.

Zwei Tage später zieht ein Sturm auf, der fast 50 Std. anhält. Hin und wieder halte ich den Windmesser hinaus und messe Böen von über 100 km/h. Endlose, laute Stunden, Langeweile voller Anspannung. Als der Sturm nachlässt, mache ich eine kleine Tour durch das Kjalhraun-Lavafeld. Am Abend merke ich erst, wie sehr die vergangenen Tage an meiner Substanz genagt haben. Die Anstrengung, der Sturm, das Alleinsein und das Zuwenig an Essen fordern jetzt ihren Tribut. Ich kann mich nicht mehr auf den Füßen halten, verliere das Gefühl in den Händen, die Kopfhaut kribbelt. Der Kreislauf macht schlapp. Jetzt aber zügig reagieren! Ich nehme eine Hand voll Würfelzucker mit viel Wasser, koche mir einen Kaffee und mache mir eine extra große Portion Müsli. Als es mir besser geht, verkrieche ich mich in den Schlafsack und versuche zu schlafen. Da sehe ich einen Lichtschein am Zelt, höre ein Brummen in der Ferne. Entweder bin ich jetzt vollends durchgeknallt, oder ich bekomme tatsächlich Besuch. In 100 m Entfernung pflügen sich drei Super-Jeeps durch die Nacht und halten vor der Hütte an. Ich greife zur Stirnlampe und gebe Signal. Schon kommt jemand auf mich zu. „Hae hae, ég heiti Gümmie.“ Gümmie ist Bergführer und mit einer kleinen Gruppe mit den Fahrzeugen über den Langjökull-Gletscher vom Südwesten herauf gekommen. Auch ich gebe meine Geschichte zum Besten. Gümmie meint, ich solle doch in einer halben Stunde zur Hütte kommen, dann wäre das Essen fertig. Eben noch am Rande der Erschöpfung und allein, sitze ich jetzt mit netten Leuten am Tisch bei isländischem Lammbraten, Bratkartoffeln und Gemüse, dazu eine Dose Bier, zum Nachtisch Stockfisch, der vor dem Essen tief durch den Margarinebecher gezogen wird. Im Sommer habe ich in Island etliche solcher Geschichten erlebt, aber jetzt habe ich wirklich nicht damit gerechnet.

Mit Windstille und blauem Himmel beginnt der neue Tag. Zum Abschied drückt mir Gümmies Freundin noch eine große Tüte Expeditionsnahrung in die Hand. Es sei nicht gut, hungrig zu sein, meint sie. Ich fühle mich ausgeruht und kräftig, das Wetter ist fantastisch. Jetzt kann ich noch eine gute Woche bleiben und ein paar Skitouren auf die umliegenden Berge machen. Stellenweise vermisse ich auf dem blank gefegten Firn die Steigeisen, aber meist komme ich mit Skiern und Fellen ganz gut voran.

Nach den schönen Tagen in Hveravellir ist der Höhepunkt der Tour überschritten, das Essen wird jetzt wirklich knapp. Ich mache mir gerade Gedanken, in drei Tagen über den Süden aus dem Hochland heraus zu sein, da kommen Ole und Gunnar angefahren. Gunnar ist der Hüttenwart und schaut auch im Winter mal vorbei. Klar nehmen sie mich mit nach Reykjavik, wollen aber vorher noch zwei Tage zum neuen Vulkan am Fimmvörðuháls, der vor kurzem ausgebrochen ist. Diese Zugabe nehme ich natürlich mit. Wieder in Reykjavik angekommen, steht mir noch eine einwöchige Reise bevor. Ich muss noch einmal in den Norden, um den Schlitten zu holen. Aber das ist eine andere Geschichte…